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Paul im Bücher-Glück

Seit 24 Jahren ist Paul mit dem Arche Brockenhaus verbunden. Als Freiwilliger ist er der Herr der Bücher. Doch wie kommt es, dass der einstige Kulturredaktor im Arche Brocki als «Hausbibliothekar» arbeitet?

Auf die Frage, wenn er ein Buch wäre, zu welchem Genre es gehören und welchen Titel es hätte, antwortet Paul, dass es ihm schwerfalle, sich auf eines festzulegen, zu breit seien seine literarischen Interessen. Aber der Titel sprudelt geradewegs aus ihm heraus: «Paul im Glück»; er habe immer so viel Glück gehabt. Ihm sei sehr vieles zugefallen im Leben. Seine Arbeitsstellen ebenso wie die Aufgabe im Brocki. Doch der Reihe nach.

Paul-sortiert-Bücher

Vom Pferderennen in die Redaktion
Paul studierte Germanistik. Im Alter von 20 Jahren schrieb er, noch während dem Studium, seine ersten Buchkritiken. Zum Profi wurde er per Zufall: Mit einem befreundeten Hobbyfotografen besuchte er in seinem Heimatdorf ein Bauern-Pferderennen. Die Fotos des Kollegen fand Paul so gut, dass er ihm riet, sie einer Zeitung anzubieten. Der Kollege traute sich nicht. So nahm Paul das Heft, bzw. die Fotos selbst in die Hand und ging damit zur Redaktion der Zeitschrift «Die Woche». Dort war man ebenfalls angetan von den Bildern, meinte aber, man bräuchte noch einen Text dazu. Paul übernahm dies kurzerhand und lieferte einen druckreifen Bericht. Eine Woche später war Paul angestellt als Aushilfsredaktor und erhielt nach kurzer Zeit eine Festanstellung.

Verantwortlicher für das Filmprogramm beim Deutschschweizer Fernsehen
Als «Die Woche» Konkurs ging, wechselte Paul zur «tv-radiozeitung». Er rapportierte dort Neuigkeiten aus dem Studio Leutschenbach. Daneben war er auch immer wieder als Kulturberichterstatter für verschiedene Tageszeitungen tätig. Dann fiel Paul wieder ein Jobangebot zu, diesmal vom Deutschschweizer Fernsehen. Man suchte jemanden für den Aufbau der Redaktion «Spielfilm und Serien» und warb ihn kurzerhand ab. Die neue Aufgabe führte Paul hinaus in die Welt der Festivals und Filmvorstellungen, immer auf der Suche nach geeigneten Produktionen für das Fernseh-Filmprogramm. Die spannende und abwechslungsreiche Arbeit erfüllte den filmaffinen Redaktor. Dies, obwohl der Spagat zwischen interessanten Filmen und dem Budget des Fernsehens nicht immer einfach war. Paul blieb 20 Jahre lang, bis er in Frühpension ging.

Von der Filmredaktion ins Brockenhaus
Paul erzählt, er komme aus einfachen Verhältnissen. Darum stöberte er als Jugendlicher und junger Mann oft in Brockis auf der Suche nach Büchern, die er günstig erstehen konnte. Sein langjähriger Freund Peter Königsdorfer, den er aus dieser Zeit kannte, war mittlerweile Betriebsleiter des BrökoZentrums Arche (heute Arche Brockenhaus). Er fand, dass Paul sich doch bei ihnen engagieren könnte und holte ihn in die damalige «Betriebskommission» des BrökoZentrums Arche. 10 Jahre lang beriet Paul als Kommissionsmitglied mit seinem Aussenblick die Geschicke des Betriebs. Dann kam der entscheidende Schritt: nach der Pensionierung und einem personellen Wechsel im Brocki legte Peter ihm nahe, sich der brachliegenden Bücherabteilung anzunehmen. Mit seiner Nähe zur Arche und seinem Fachwissen war Paul dafür geradezu prädestiniert.

Ein ausgerenkter Arm brachte ihn zum Lesen
Doch nochmals zurück zu den Anfängen seiner Liebe zu Büchern. Wie ist er denn zum Lesen gekommen? Sein Vater habe viel gearbeitet, seine Mutter las wenig. Doch als Paul sich in der 3. Klasse den Arm verrenkte und nicht am Schulunterricht teilnehmen konnte, durfte er sich so viele Bücher aus der Schulbibliothek holen, wie er wollte. Paul machte davon rege Gebrauch und hörte seither nicht mehr auf, zu lesen.

In seinem Leben habe er immer wieder verschiedene Präferenzen gehabt, antwortet Paul auf die Frage, welches denn seine Lieblingsliteratur sei. Ernest Hemingway, Kurt Tucholsky, Mark Twain und Erich Kästner sind nur ein paar Autoren, die ihn begeistern. Sein Spektrum blieb aber immer breit. Von Werken wie «Ulysses» von James Joyce über Sachbücher, Biographien bis hin zu Trivialliteratur, wie er unumwunden zugibt. Aktuell liest er wöchentlich unter anderem einen Krimi. Schliesslich hat er dazu auch einen vertieften Bezug, verfasste er doch eine Zeitlang eine Krimi-Kolumne für den «Brückenbauer». Was er ebenfalls sehr gerne «lese», wie er schmunzelnd verrät, seien Kochbücher. Er sei nämlich auch begeisterter Hobbykoch. Vor allem die chinesische Küche hat es ihm angetan.

Und wie steht er zur Schweizer Literatur? Die verstorbenen Schriftsteller Urs Widmer und Hugo Loetscher bezeichnet Paul als zwei der für ihn wichtigsten Schweizer Autoren. Von letzterem habe er alle Werke gelesen. Mit der modernen Schweizer Literatur werde er hingegen nicht so warm.

Buchverfilmungen - ein Sakrileg an der Literatur?
In Pauls Brust schlagen zwei Herzen: das des Buchliebhabers und das des Filmexperten. Was hält er denn von Buchverfilmungen, hier scheiden sich ja bekanntlich die Geister. Paul findet Buchverfilmungen nicht grundsätzlich schlecht, aber tatsächlich meist schwierig. Eine wirklich schlechte cineastische Interpretation fällt ihm nicht ein. Wohl aber das umgekehrte. Donna Leon Verfilmungen fände er meist besser als die Bücher. Ebenso gefällt ihm Kommissar Hunkeler mit Mathias Gnädinger als für ihn ideale Besetzung. Und Hitchcock-Filme beruhten zum Teil auf Buchvorlagen, wo man denke, daran könne man fast nichts mehr kaputt machen. Stanley Kubricks kontrovers diskutierter Film «A Clockwork Orange» findet Paul künstlerisch überzeugend, aber er sei auch nicht sehr nahe am Roman von Anthony Burgess.

Gut sortiert ist halb verkauft
Was genau ist denn nun die Arbeit von Paul im Arche Brocki? Der grösste Teil entfällt auf das Sortieren der gespendeten Bücher. Was sind denn die Auswahlkriterien? Paul betont, dass es ihm wichtig sei, ein möglichst breites Sortiment zusammenzustellen. Mehrheitlich Anspruchsvolleres ergänzt durch eher Triviales. Er müsse sich bei der Auswahl in die Kundschaft hineinversetzen und könne nicht einfach auswählen, was ihm gefalle. Krimis fänden durchwegs sehr guten Absatz. Bei Romanen sei das Interesse schwankend. Was sehr gut laufe, seien fremdsprachige Bücher in Englisch und Französisch. Aber auch Bücher über Religion und phasenweise Esoterik. Deutlich zurück gegangen sei das Interesse an Kochbüchern. Die Leute laden die Rezepte lieber aus dem Internet herunter. Was ihm auffalle sei, dass er heutzutage viel mehr Bücher wegwerfen müsse als früher. Das Brockenhaus wird manchmal richtiggehend überschwemmt damit.

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Bücher, Bücher und nochmals Bücher
Eine Hand voll Stammkund:innen kennt Paul persönlich und legt für sie hin und wieder etwas auf die Seite, wovon er denkt, es könnte sie interessieren. Die meisten kämen aber wegen dem Renommee der gut sortierten Buchabteilung - und nicht wegen ihm, fügt er selbstironisch an. Und wie ist es denn mit dem Kauf von Büchern, kommt er da noch in Versuchung? Paul muss lachen. Er habe seiner Frau, einer gelernten Buchhändlerin, versprochen, keine Bücher mehr nach Hause zu bringen. Daran halte er sich. Nun ja, höchstens ausnahmsweise mal das eine oder andere Buch von Autoren, die er noch nicht kennt. Doch die bringe er fast immer wieder zurück. Wie viele Bücher er und seine Frau denn zuhause hätten? Paul meint nach einer kurzen Pause, etwa 9‘000 würden es schon sein – vielleicht auch ein bisschen mehr. Der Schalk blitzt in seinen wachen Augen auf.

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