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Meine neue Freiheit

Johnny ist ein grossgewachsener junger Mann. Er erzählt seine Geschichte. Dass er heute entspannt am Tisch sitzt und zufrieden auf sein Leben schaut, ist das Resultat harter Arbeit.

Glück hat viele Gesichter und bedeutet für jeden von uns etwas anderes. Für Johnny* ist es die bestandene Autoprüfung. Stolz erzählt er, dass er in der Theorieprüfung 147 von 150 möglichen Punkten erreicht und dass er auch den praktischen Teil im ersten Anlauf geschafft hat. Die Prüfung fand unter erschwerten Umständen statt, Johnny befindet sich zurzeit im offenen Vollzug, eine Massnahme, die von einer Therapie begleitet wird. Davor verbrachte er vier Jahre in der geschlossenen Psychiatrie aufgrund einer psychischen Erkrankung und Delikten unter Drogeneinfluss. Seit sechs Monaten nun wohnt und arbeitet er in der Arche Therapie Bülach, wo er sich sehr wohl fühlt und es ihm sehr gut gefällt, wie er mehrmals betont. Mit einem zufriedenen Lächeln sagt er über sich selbst: «Ich bin gerne da, ich glaube, ich mache es auch gut – und ich bin seit fünf Jahren drogenfrei.» 

Johnny fühlt sich wohl in der Arche, wo er arbeitet und wohnt. 

Verspätete, aber erfolgreiche Autoprüfung 
Um zur Autoprüfung zugelassen zu werden, benötigte Johnny erst noch ein Verkehrsgutachten. Dies, weil er mit sechzehn ohne Führerschein und unter Drogeneinfluss ein Fahrzeug lenkte; die Folge davon war eine langjährige Sperre. Jetzt, im Alter von 31, hat er das «Billett» endlich im Sack – um viel Erfahrung und vor allem Einsicht reicher. Johnny hadert nicht mit dem Gesetz. Er ist froh, dass die Justiz so gehandelt hat, schliesslich sei er selbst schuld gewesen und zum Glück sei damals nichts Schlimmeres passiert. Autos und Jugend sei eine heikle Kombination, da stehe Geschwindigkeit über allem. Seine neue Freiheit geniesst er mit dem Auto der Eltern, die er jedes Wochenende besucht und die ihm manchmal das Familienauto ausleihen, damit er eine Runde drehen kann. Das ist nicht nur Glück, das ist auch Unabhängigkeit – mal von A nach B fahren zu können ohne Rücksicht auf den Zug- oder Busfahrplan nehmen zu müssen.  

Zukunftspläne sind geschmiedet
Pläne für die Zukunft sind ebenfalls bereits geschmiedet. Für die Zeit nach der Vollzugsmassnahme plant er: «Erstmal Ferien machen, ja, das fehlt mir. Seit fast sechs Jahren hatte ich keine richtigen Ferien mehr.» So lange sei er auch nicht mehr in seiner Heimat auf dem Balkan gewesen. Seine Grossmutter starb, als er in der «Geschlossenen» war, er konnte weder die Beerdigungsfeier besuchen, noch hat er jemals ihr Grab gesehen. Ein Umstand, der ihn sehr traurig und nachdenklich werden lässt. Der Brückenschlag von der verlorenen Grossmutter zu Fragen der eigenen Herkunft. Wo ist Heimat? Er ist in der Schweiz aufgewachsen, ist Schweizer aber eben auch nicht. Er hat zwei «Heimaten», wie so viele in unserem Land. 

«Ich muss jetzt vieles aufholen. Die Vollzugsmassnahme und die Arche tun mir gut!» 

Die Frage nach Plänen hinsichtlich einer Arbeit beantwortet Johnny gut überlegt. Er leide an einer psychischen Erkrankung. Vor drei Jahren innerhalb des Massnahmenvollzugs sei er deshalb bei der IV angemeldet worden und erhalte seither entsprechende Unterstützung. Eine Tatsache, die ihm zwar hilft, aber die ihn nicht stolz macht – er möchte lieber arbeiten. Er plant, einen Einstieg in die Arbeitswelt über einen geschützten Arbeitsplatz. Er ist der Überzeugung, dass die betreuenden Ärzte das sicher richtig entschieden hätten, er vertraue ihnen, auch wenn er lieber «richtig» sein eigenes Geld verdienen würde.  

Ein zweites Stück Glück vor dem Standesamt 
Vor ein paar Wochen hat er ein weiteres Stück Glück perfekt gemacht und hat seine Freundin zum Standesamt geführt. Im Moment geht es Schlag auf Schlag. Es ist, als müsse er vieles aufholen. Eine wichtige Zeit seines Lebens hat er im geschlossenen Vollzug verbracht, weit weg vom richtigen Leben. Die angeordneten Massnahmen hätten ihm unendlich gutgetan, er sei von den Drogen losgekommen, habe viel gelernt. Aber jetzt müsse er aufholen. Am meisten freut er sich auf den Sommer, wenn er bedingt entlassen wird – dann wird in der Heimat richtig mit einem grossen Fest gefeiert.  Seine Frau sei eine wichtige Stütze im Leben, sie habe immer zu ihm gehalten, seit vielen Jahren schon. Vor zwei Jahren in der geschlossenen Abteilung hätten sie Verlobung gefeiert, dafür hätten sie sogar mit den Familien in ein Restaurant dürfen.  

Abschliessend betont Johnny noch einmal, wie gut ihm die verschiedenen Massnahmen getan hätten und wie gut er sich heute fühlt. Stark, gesund und fit – und vor allem frei von illegalen Substanzen. Johnny blickt zufrieden auf sein momentanes Leben – schliesslich hatte er gleich mehrmals viel Glück. 

* Aus Respekt vor der Privatsphäre der bei uns um Unterstützung suchenden Menschen verwenden wir anonymisierte Namen.