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Die letzte Stufe vor den eigenen vier Wänden

Auf dem Gelände der Arche Therapie Bülach steht seit einigen Monaten ein einladender Bungalow mit fünf Wohneinheiten. Zweck dieser Wohnform ist es, Klient:innen auf dem Weg zurück in ein selbständiges Leben und eine eigene Wohnung zu unterstützen. Auf dieser letzten Stufe vor der Rückkehr steht Dean*.

Der 35-Jährige blickt auf bewegte Jahre zurück: Seit er mit 19 Jahren seinen ersten Entzug machte, hat er trotz längerer, abstinenter Phasen ungefähr 25 verschiedene Aufenthalte in Sucht-, Entzugs- und Entwöhnungskliniken oder Spitälern hinter sich. Hauptsuchtmittel war stets der Alkohol, später kamen Heroin, Kokain und Ketamin dazu.

Auslöser für die Änderung seines bisherigen Lebens war seine Freundin, die ihn vor ungefähr einem Jahr vor die Wahl stellte «Beziehung oder Sucht». Es folgte der fünfwöchige Entzug in der Klinik St. Pirminsberg in Pfäfers, die zehnwöchige Entwöhnung in der Klinik Rheinau und schliesslich checkte er im Juni 2022 in der Arche Therapie Bülach für eine viermonatige Langzeit-Therapie ein. Den Entscheid zugunsten dieser Institution habe er selbst getroffen, nicht zuletzt aufgrund ihrer Nähe zu seinem früheren Wohnort. 

Bereits am 1. August trat er eine Praktikumsstelle als Sozialpädagoge an. Er erzählt, dass er beruflich schon lange in diese Richtung habe gehen wollen, es hätten ihm jedoch die Möglichkeit und die passende Stelle gefehlt. Mit Hilfe von Alexandra Spiess, Job- und Integrations-Coachin in der Arche Therapie Bülach, die ihn im Bewerbungsprozess unterstützt habe, wurde diese Hürde rasch genommen. 

Nach den vier Monaten im «Haupthaus» der stationären Therapie war für ihn klar, dass er gerne eines der neuen Zimmer im Bungalow beziehen wollte. Das neue Angebot bietet nicht nur räumliche Distanz, sondern gibt den Bewohner:innen grundsätzlich mehr Verantwortung und Freiheit. Es ist ein grosser Schritt in Richtung selbständiges Wohnen, die letzte Stufe vor den eigenen vier Wänden. Die zwei Monate, in denen Dean von der neu geschaffenen progressiven Wohnform profitieren konnte, hätten ihm gezeigt, dass er wieder bereit sei, sein Leben komplett in die eigenen Hände zu nehmen, nicht nur hinsichtlich Job oder Freizeitgestaltung: «Für jemanden wie mich, der weiss, wie allein wohnen geht, ist es jetzt an der Zeit, eine Bleibe ausserhalb zu suchen. Ich fühle mich bereit.» Er habe sich ein neues Umfeld geschaffen, neue Hobbys zugelegt. «Am 1. März trete ich eine neue, weiterführende Praktikumsstelle im Bereich Sozialpädagogik für Kinder an», erklärt er nicht ohne Stolz mit Blick darauf, wie er sein Leben in die Hände genommen hat, was er bereits erreicht hat und noch erreichen will. Später möchte er wieder mit der Freundin zusammenziehen, so ist es geplant. 

Die neue, progressive Wohnform ist ein gutes Konzept 
Die momentane Wohnsituation im Bungalow beschreibt er als gute Lösung. Mit der gemeinsamen Küche und des überdachten Bereichs zwischen den Zimmern wurde Raum für Begegnung und Gespräche geschaffen. Wer tagsüber einer Arbeit nachgehe, schätze am Abend die räumliche Trennung zum Haupthaus, wo doch mehr Betriebsamkeit herrsche, als im abgeschiedenen Bungalow, wo man mit jemandem reden, dies aber auch mal sein lassen könne. «Ruhe-technisch ist es super im Bungalow», sagt Dean zum Konzept. 

Wenn er abends zurückkommt, muss er sich zur täglichen Abstinenzkontrolle melden und einmal pro Woche ist ein Gespräch mit seiner Bezugsperson angesetzt. Dieses bietet Gelegenheit, persönliche Anliegen zu besprechen und sich allenfalls mehr Unterstützung zu holen. Wer mag, kann sich gegen einen Unkostenbeitrag zum gemeinsamen Abendessen anmelden, eine Option, von der Dean selten Gebrauch macht; er schätzt es, in «seiner» Küche etwas zu kochen. Allein oder gemeinsam mit einer anderen Klientin, die zurzeit ein anderes der fünf Zimmer bewohnt.  

Wie überall, wo mehrere Menschen unter einem Dach wohnen, können Konflikte in gemeinsam genutzten Räumen entstehen, zum Beispiel aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse hinsichtlich Ordnung oder Lärm. Für alle ein gutes Übungsfeld, auftretenden Problemen mit offener Kommunikation zu begegnen, um eine Umgebung zu schaffen, wo sich alle wohl fühlen können. 

Mehr Informationen: Progressiven Wohnform der Therapie Bülach

*Name durch die Redaktion geändert