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Ein Loblied auf die Blechdose – Herstellungsarten und Drucktechniken

Einer der Gegenstände, die garantiert immer wieder im Brockenhaus landen, ist die Blechdose, im Volksmund auch Guetzlibüchs genannt. Diese charmanten alten Behältnisse sind zu günstigen Preisen zu haben, ganz im Gegensatz zu hochpreisig gehandelten, oft unerschwinglichen Emaille-Reklameschildern, deren Blütezeit zwischen 1890 und 1960 anzusiedeln ist. Blechdosen werden einem sogar regelrecht nachgeschmissen, obwohl sie nicht selten genauso stilvoll sind wie Emaille-Schilder und das Herz eines jeden Nostalgikers höherschlagen lassen.

So wollen wir also der Blechdose ein Kränzchen winden und widmen uns in diesem Artikel exklusiv der ordinären, hundskommunen Büchse. Seit wann gibt es sie und mit welchen Techniken wird sie bedruckt? 

Wie immer hat unser Experte Professor Archibald aufwendig für uns recherchiert und nimmt uns mit auf eine abenteuerliche Zeitreise durch die Geschichte der Blechdosen und den damit verbundenen Drucktechniken. Wochenlang kam er nicht aus seinem Archiv, bis wir besorgt nachsehen gingen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist. Umherirrend in einem kafkaesken Labyrinth von Karteikartensystemen fanden wir keine Spur von unsrem Freund Archibald. Wir wussten: Irgendwo hier musste er sein. Gerade noch rechtzeitig, bevor wir von einem maroden Büchergestell erschlagen zu werden drohten, fanden wir ihn, vertieft im Studium von antiken Schriftrollen und mittelalterlichen Globen. Doch wir waren zu früh gekommen: Professor Archibalds Recherche war noch nicht abgeschlossen. Er redete nur Blech! 

Es blieb uns also nichts anderes übrig, als zu warten. Es vergingen Wochen, Monate, Jahre. Es wurde Herbst und wieder Frühling. Königreiche erhoben sich und versanken wieder im Sand.

Als wir schon längst die Hoffnung aufgegeben hatten, erreichte uns ein Telegramm mit der Nachricht von Professor Archibald: «Mission Blechdose erfolgreich. Stopp. Der Adler ist gelandet. Stopp.»

Die Blechdose im 19. Jahrhundert
Der Siegeszug der modernen Blechdose begann im 19. Jahrhundert. Sie eignet sich wunderbar zum Verstauen und Lagern von allerlei Dingen. In der Morgendämmerung der Industrialisierung, anfangs des 19. Jahrhunderts, mauserte sie sich zu einer der beliebtesten Verpackungen, geeignet für Kaffee, Kakao, Tee, Tabak, Kekse, Schuhwichse, Waschmittel, Kosmetika, Drogerieartikel, Arzneimittel und vieles mehr. Jedoch nur für Waren, die weder nass waren noch besonders frisch gehalten werden mussten. Für Fleisch oder Obst waren die Dosen nicht geeignet. Für Dinge, welche eine luftdichte und lichtundurchlässige Lagerung erfordern, etwa technische Geräte oder Filmmaterial, war die Blechdose die sicherste Verwahrungsart.

Eine Weiterentwicklung der klassischen Blech- und Schmuckdose, deren Erfinder nicht bekannt ist, war die Konservendose. Sie wurde 1804 vom Pariser Konditor und Zuckerbäcker François Nicolas Appert erfunden und am 25. April 1810 vom Engländer Peter Durand patentiert, der sie aus Weissblech herstellte, ein Material, das sich bewähren sollte.  

Die Konservendose bot die Möglichkeit, Lebensmittel langfristig zu konservieren und zu transportieren. Die Haltbarkeit wurde bedeutend verlängert und erlaubte Import und Export von frischen Waren. Soldaten und Matrosen, weit weg von zuhause, genossen dank den mitgeführten Konserven eine ausgewogene Ernährung. Gegenüber Glas ist die Konservendose auch bei der Zersetzung effektiver. Glas benötigt an die 50‘000 Jahre.

Kunststoffverpackungen gab es zu jener Zeit noch nicht; man verwendete hauptsächlich Blech, Pappe, Holz und Glas. Erst in den 1970er Jahren wurden Blechdosen durch Plastikverpackungen und Blister abgelöst. Diese waren kostengünstiger zu produzieren und eigneten sich besser zur Konservierung von frischen, leicht verderblichen Lebensmitteln.

Trotzdem sind Blechdosen auch heute noch sehr beliebt, nicht zuletzt dank ihrem nostalgischen Touch und dem farbenfrohen Aussehen. Der Kreativität sind bei der Gestaltung des dünnen Metalls kaum Grenzen gesetzt. Blechdosen kann man bedrucken, lackieren, stanzen, prägen, emaillieren und vieles mehr. 
Von Anfang wurden sie als Werbeträger benutzt, um die wachsende Menge von hergestellten Produkten der Industrialisierungszeit anzupreisen. Doch wie wurden sie im 19. Jahrhundert bedruckt?
Mehr dazu später. Zuerst muss Professor Archibald etwas weiter ausholen und entführt uns dazu in die Antike.

Die Blechdose in der Antike
Blech gibt es nicht erst seit dem 19. Jahrhundert. Es ist keine Erfindung der Neuzeit.

Bereits die alten Ägypter stellten Blechplatten her. In den Grabkammern Tutanchamuns, Herrscher über das Reich am Nil von 1332 bis 1323 vor Christus, wurden gegen 100 kunstvoll geschmiedete, figürlich dekorierte Goldblechbeschläge, sogenannte Appliken, vorgefunden, die den Forschern bis heute Rätsel aufgeben. Mehr als ein ganzes Jahrhundert ist seit der Entdeckung des Pharaonengrabs im Jahr 1922 vergangen. In dieser Zeit wurden die Goldblechplatten im Zwielicht einer Abstellkammer im Ägyptischen Museum in Kairo zwischengelagert, weder für Besucher noch Wissenschaftler zugänglich. Erst jetzt beginnt ihre Aufarbeitung.

Im Jahr 2013 wurde vor der toskanischen Küste eine 2000 Jahre alte blecherne Pillendose aus einem Schiffswrack geborgen. Das dem Untergang geweihte Handelsschiff sank anno 130 vor Christus mitsamt seiner Fracht auf den Meeresgrund. Unter den hervorgebrachten mysteriösen Artefakten befand sich der Koffer eines vorchristlichen Mediziners. Der Koffer selbst war verrottet, doch sein Inhalt erhalten. Es handelte sich um das typische Utensilium eines damals reisenden Arztes. Neben hölzernen Ampullen, Kelchen, vermutlich zum Aderlass benötigt, befand sich auch ein Zylinder aus Blech mit vier Zentimetern Durchmesser, verschlossen von einem festsitzenden Deckel, damals «Pyxis» genannt. Er enthielt, unversehrt erhalten über zwei Jahrtausende, fünf zinkhaltige Tabletten, vor der Zersetzung bewahrt. Gemäss den Schriften von Plinius dem Älteren wurden diese zur Behandlung von Augen- und Hautleiden verschrieben. 

Blechdosen erwiesen also bereits in vorchristlicher Zeit als stabil und langlebig und gewannen deshalb im Lauf der Zeit immer mehr an Bedeutung. 

Blech kann aus fast allen Metallen hergestellt werden. Im Arbeitsprozess wird das Metall in einem Walzwerk zu einer Tafel plattgewalzt. Grundsätzlich gilt: Sind Breite und Länge des Metalls sehr viel grösser als die Dicke, dann handelt es sich um Blech.

Traditionell wurden Bleche in Handarbeit durch Hämmern aus Gussteilen geformt, dann nach Belieben kunstvoll verziert und zurechtgehauen.

Die Blechdose wird bedruckt
Im 19. Jahrhundert, zu Beginn der Industriellen Revolution, erlebten Blechdosen einen Boom. Sie wurden immer farbiger und zunehmend zu Reklamezwecken genutzt. Doch wie war es damals möglich, diese zu bedrucken, lange vor den Drucktechniken des 20. Jahrhunderts (Siebdruck, Offsetdruck etc.)? 

Gemeinsam mit der Blechdose erlebte auch die Lithografie (vom Altgriechischen líthos = Stein, graphē = Schreiben, zeichnen), ihr goldenes Zeitalter. Man nennt sie auch Steindruck. Entdeckt wurde die Technik vom deutschen Kartographen Alois Senefelder, als er mit Solnhofer Schieferplatten herumexperimentierte. Er stellte fest, dass eine Zeichnung, mit fetthaltigem Stift auf einer Schieferplatte angefertigt, beim Anfeuchten das Wasser abstösst, die Zeichnung jedoch die Druckfarbe annimmt. Wird nun ein Blatt Papier auf den Stein gepresst, entsteht ein spiegelverkehrter Abdruck: Die Lithografie.

Die Lithografie war im 19. Jahrhundert und bis 1930 eine der am meisten angewendeten Techniken für farbige Druckerzeugnisse, bevor sie zunehmend vom Offsetdruck verdrängt wurde. Heute wird sie nur noch im künstlerischen Bereich eingesetzt, da sie mit der hohen Massenproduktion des modernen Zeitalters nicht mithalten kann. 

Ohne die Lithografie wäre der Boom der Blechdosen nicht möglich gewesen. Im Sog der Industriellen Revolution, die von England nach Europa herüberschwappte, verbreiteten sie sich in der Gründerzeit rasend schnell als Reklameträger für alle möglichen, wie Pilze aus dem Boden spriessenden neuen Firmen, die ihre Produkte in den buntesten Farben anpreisen wollten.

Reklame zierte nicht nur Blechdosen, sondern auch manch anderes Verpackungsmaterial, zum Beispiel Pappe, Pappmaché, Glas oder Papier. Sie erschien auf Litfasssäulen, Zeitschriften, Plakaten, Werbekarten und bald auch Blechspielzeug.

Ein weiteres für Blechdosen angewandtes Verfahren war die Schablonentechnik, Vorläuferin des 1907 patentierten Siebdrucks. Sie war bereits in prähistorischen Höhlen anzutreffen, wo Hände mittels eines Blasrohrs mit Farbe besprüht wurden, wodurch ein Bild an der Felswand entstand, wie zum Beispiel in der Höhle von Gargas in den französischen Pyrenäen. In China und Japan kamen Schablonen circa seit dem 6. Jahrhundert bei der Gestaltung von Stoffen zum Einsatz. Im europäischen Mittelalter dienten sie zur Handkolorierung von Holzschnitten. Eine Weiterentwicklung war die japanische Katazome-Technik des 18./19. Jahrhunderts, zum Färben von Textilien verwendet, die nach der Öffnung Japans im Jahr 1853 auch im Westen bekannt wurde, bis sie schliesslich 1907 in England als Siebdruck patentiert wurde. 

Die neue Technik wurde anfangs vor allem für kommerzielle Zwecke gebraucht, wie etwa die Produktion von Emaille-Schildern und Werbung. In den 30er-Jahren entdeckten Künstler in den USA die Möglichkeiten der Siebdrucktechnik für sich und prägten den Begriff «Serigraphie». In den 1960er-Jahren erreichte sie ihren Höhepunkt. Der Mix von Werbeästhetik, schreiend bunten Farben und der möglichen Einbindung von Fotografien gipfelte in einer neuen Kunstrichtung: Pop Art, deren berühmtester Vertreter Andy Warhol nebenbei auch noch die Kultband Velvet Underground gründete. Doch dies ist eine andere Geschichte...

Lange vor der Lithografie, der Schablonentechnik und dem Siebdruck gab es bereits das gedruckte Buch. Johann Gutenberg gilt als Erfinder des modernen Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern und einer Druckerpresse, mit deren Hilfe er anno 1450 die erste Bibel druckte, die zuvor in mühsamer Handarbeit von geduldigen Mönchen und Schriftgelehrten niedergeschrieben werden musste.

Frühere Versuche Gutenbergs, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu entwickeln, waren gescheitert. Im Jahr 1439 stellte er für die Aachener Wallfahrt merkwürdige, mit einer Blei-Zinn-Legierung polierte Spiegel her. Man glaubte, dass diese das Heilige Licht religiöser Reliquien einfingen. Gutenberg wollte sie Pilgern verkaufen. Doch aufgrund einer Pestepidemie fiel die Wallfahrt aus und fand erst ein Jahr später statt, im Jahr des Herrn 1440.

Doch war Gutenbergs Bibel tatsächlich das erste gedruckte Buch, wie es uns gängige Schul- und Geschichtsbücher mit westlich zentriertem Weltbild seit der Schulzeit vermitteln?

Nicht ganz. Professor Archibald weiss es besser.

Bereits um 1377 entstand in Korea das «Jikji», das erste Buch mit beweglichen Lettern, Vorstufe der modernen Drucktechniken. «Jikji» ist die westliche Bezeichnung dafür. Tatsächlich heisst das Buch «Baegun hwasang chorok buljo jikji simche yojeol» (백운화상초록불조직지심체요절), was so viel bedeutet wie «Anthologie von den Lehren des Zen der grossen buddhistischen Priester.»

Bis zur ersten bedruckten Blechdose sollten noch über 500 Jahre vergehen.

Beispiele von charmanten alten Blechdosen, die bei uns im Arche Online Shop landeten:

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The Steamship Brand Molasses Candy Box von Stewart and Young, Glasgow. Hergestellt als Souvenir für die Scottish National Exhibition im Jahr 1908.

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Picknick/Brotzeitdose von Mastalli Erba, bedruckt mit norditalienischem Bergpanorama und verschneiter «Pensione Riposo», circa 50er/60er Jahre. Erba in der Lombardei befindet sich unweit der Schweizer Grenze.

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Fritz Stucki Gewürze-Import Thalwil, circa 20er Jahre.

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Blechdose mit Ansichten von Lugano, Venedig, Rom, Como und Mailand, gestaltet von K. u. W. Siegrist, Jahrhundertwende.

antike-blechdose-riquet-kakao-jahrhundertwende
Riquet Kakaobüchse mit indischem Elefanten als Werbeträger. Riquet war Goethes Lieblingsschokolade. Leipzig, Jahrhundertwende.

antike-biscuit-dose-blechdose-von-hool-cie-confiserie
Hool & Cie Confiserie & Biscuits, Colombier (heute Milvignes, NE). Anf. Jahrhundert.