Skip to content

Sozialarbeit und Psychologie unter einem Dach. Geht das? Und ist es wertvoll?

«Ja!», meint die Sozialarbeiterin Heidi Lang. «Mütter, Väter und Kinder in mehrfach belastenden Umständen schätzen dieses interdisziplinäre Angebot und erhalten damit ganzheitliche Unterstützung.» Heidi Lang erzählt im Interview über ihre Erfahrungen mit dieser einzigartigen Zusammenarbeit.

Als du vor über sieben Jahren in der Arche angefangen hattest, hiess die Beratungsstelle noch Arche Kind & Familie, besser bekannt als BastaLina. Was waren die Schwerpunkte dieses Angebotes?
«Der niederschwellige Treff am Mittwoch war sicher zentral. Die Beratungsstelle war generell sehr niederschwellig, das hat mir gut gefallen. Wer auch immer vom Team vor Ort war, hat sich auch Spontan-Vorbeikommenden vertieft angenommen. Unser Team war schon damals interdisziplinär zusammengesetzt: Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Psychologie.»
 
Du bist Sozialarbeiterin und Kleinkinderzieherin. Was war deine Rolle?
«Ich wurde als Kinderexpertin angestellt. Ganz gezielt wollte man den Fokus vermehrt auf das Kind setzen. Das Wohl des Kindes – auch aus der Sicht des Kindes – sollte mehr Gewicht erhalten. Dieser Schwerpunkt hat sich bis heute so gehalten und sogar verstärkt.»
 
Heute, nach der Zusammenlegung mit der Mütterhilfe im Jahr 2018, ist euer Name «Arche Für Familien». Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeit und Psychologie ist noch wichtiger geworden. Wie sieht diese konkret aus?
«Aktuell betreue ich zum Beispiel eine Mutter in sozialarbeiterischen Fragen. Zusammen mit ihrem Kind geht sie zu unserer Psychologin für Gespräche. Der Vater, von dem sie getrennt lebt, hat Gespräche mit unserem Psychologen. Und es finden Vierer-Gespräche mit beiden Elternteilen und zusammen mit der Psychologin und dem Psychologen statt.»
 
Drei Ansprechpartner/-innen für eine Familie, das tönt aufwändig und kompliziert.
«Ja, dieses Setting ist bestimmt aufwändiger, als wenn jemand allein die ganze Familie betreuen würde. Aber es ist ganzheitlicher und somit wirkungsvoller.»
 
Was heisst ganzheitlicher?
«Die Mutter ist vor rund einem Jahr zu uns gekommen. Sie hatte sich vom Vater getrennt, das Kind zeigte Auffälligkeiten, ihre Arbeitsstelle wurde gekündigt, sie litt an Depressionen. Ich kann sie im Abbau der administrativen Last unterstützen: Bewerbungen, Briefe schreiben und Formulare ausfüllen, Vernetzen mit anderen spezifischen Fachstellen usw. Ihre psychischen Belastungen sowie Themen zur Erziehung und Entwicklung des Kindes bespricht sie mit unserer Psychologin. Das In-Ordnung-Bringen von Administrativem kann einen positiven Einfluss auf das Psychologische haben und umgekehrt. Die Psychologin und ich tauschen uns zu wichtigen und übergreifenden Themen aus und dies wiederum teilen wir der Mutter mit. Wir gehen damit einen gemeinsamen Weg zusammen mit der Mutter und dem Kind.»
 
Der Vater hat einen eigenen Ansprechpartner, wieso?
«Der Vater, der psychisch belastet ist, war im letzten Jahr im Ausland. Vor wenigen Monaten ist er zurückgekehrt. Er hatte die Mutter und das Kind über ein Jahr lang nicht mehr gesehen. Es standen viele Fragen im Raum: Wie kann ein Zusammentreffen von Mutter und Vater funktionieren? Wie kann der Vater das Kind besuchen? Wie kann das Kind damit umgehen? Bewusst haben wir einen dritten Ansprechpartner, unseren Psychologen, dazu genommen. Er hat die Beziehung von Kind und Vater im Fokus. Und der Vater hat mit ihm einen von der Mutter unabhängigen Ansprechpartner.»
 
Wie arbeitet ihr drei Fachpersonen zusammen?
«Wir tauschen uns immer wieder aus. Erst letztens beispielsweise konnte der Vater vom Notzimmer in eine Wohnung umziehen. Damit kam das Bedürfnis auf, dass das Kind auch beim Vater übernachtet. Wir drei Fachpersonen haben uns dazu ausgetauscht. Alle bringen ihre eigene Perspektive ein. Von der psychologischen Seite her sind das Fragen wie: Wie ist das für die Mutter? Ist das Kind bereit? Ist die Vater-Kind-Beziehung genügend aufgebaut? Ich sehe die praktischen Dinge: Hat es ein Kinderbett? Und gibt es kindergerechte Einrichtungen? Das Wohl des Kindes ist bei unseren Gesprächen stets im Zentrum. Dennoch können sich die verschiedenen Perspektiven auch mal widersprechen. Für uns gilt, zum Wohl des Kindes einen gemeinsamen Weg zu gehen.»
 
Gibt es auch Schwierigkeiten und Herausforderungen?
«Ja, klar. Wir arbeiten schon sehr gut zusammen, aber es gibt Lernfelder. Im Zurückmelden unserer Gesprächsinhalte an die Mutter, den Vater und das Kind können wir zum Beispiel noch besser werden. Durch die gemeinsamen Fälle lernen wir jedoch in allen Aspekten stets dazu. Auch unsere unterschiedlichen Haltungen lernen wir laufend besser kennen und vor allem schätzen.»