Tagesstruktur, Arbeit und Therapie geben Halt
Eine klare Tagesstruktur hilft, wieder einen Rhythmus zu finden. Sie ist ein Schutzfaktor gegen Rückfälle und bietet weniger Gelegenheiten für alte Muster. Sie fördert Verantwortung und Selbstständigkeit und bereitet somit Klient:innen auf ein selbstbestimmtes Leben vor. Für Felix bedeutet sie sogar ein Stück Freiheit.
Wird ein geregelter Tag von den Klient:innen zu Beginn oft als Zwang empfunden, entwickelt sich im Laufe der Zeit meist Akzeptanz. Für Felix bedeuten die klaren Leitplanken Sicherheit und Orientierung, die ihm sogar das Gefühl von Freiheit vermitteln. Er befindet sich seit einigen Wochen in der Arche Therapie Bülach im offenen, davor ein halbes Jahr im geschlossenen, Vollzug.
Wie war es für dich, als du mit der Tagesstruktur hier konfrontiert wurdest?
«Für mich war es eine Erleichterung. Im Gefängnis verbrachte ich die Tage mehrheitlich mit Herumliegen. Hier darf ich arbeiten und mich körperlich betätigen. Ich bin Landschaftsgärtner und liebe die Arbeit in der Natur. Als ich hier in Bülach ankam, dachte ich, es sei einfach ein «normaler» Therapieaufenthalt. Ich habe mich gefreut, als ich merkte, dass man hier richtig anpacken muss. Am Abend spüre ich, dass ich körperlich gefordert wurde.»
Welches war die grösste Herausforderung?
(Felix denkt lange nach.) «Naja, das Schlimmste für mich ist Hausarbeit. Ich putze nicht gerne hinter anderen her. Aber wenn ich muss, akzeptiere ich und erledige die Arbeit. Am Anfang empfand ich das Zusammensein in der Gruppe als anstrengend, aber das hat sich in der Zwischenzeit ergeben; wir haben es gut zusammen.»
Wie werden die Arbeiten verteilt?
«Zu Beginn musste ich einen Turnus durchlaufen und alles mal machen. Später durfte ich meine Präferenzen anmelden, die klar im Garten und bei den Tieren liegen. Kochen wäre gar nicht meins – ich glaube, bei mir würde sogar Salat anbrennen...»
Wie sieht dein Tag in der Arche Therapie Bülach aus?
«Ich bin ein Frühaufsteher, mich muss man nicht wecken. Wenn um 7.30 Uhr Tagwache ist, bin ich längstens auf und habe meine Medikamente eingenommen. Kurz vor halb neun treffen wir uns nach dem Frühstück zur Tagesbesprechung und gehen zusammen auf den Morgenspaziergang. Um 9 Uhr ist Arbeitsbeginn.
Beim Mittagessen sollen wir sitzen bleiben, bis alle mit dem Essen fertig sind. Um 13.15 Uhr geht es mit der Arbeit weiter bis gegen 16 Uhr. Montag und Dienstag sind die intensivsten Arbeitstage. Die Nachmittage der drei anderen Wochentage sind für Kunst-, Tiergestützte- oder Deliktorientierte Therapie reserviert – natürlich wird auch Sport getrieben. Wo die Sportlektionen stattfinden, wird gemeinsam besprochen; ob wir draussen trainieren oder ob wir in die nahegelegene Turnhalle gehen wollen. Wichtig ist, dass wir möglichst alle einer Meinung sind. Einfacher ist es im Sommer, da sind wir oft schwimmen gegangen. Trotz des straffen Programms haben wir genügend Freizeit. Die Tage sind sehr abwechslungsreich, mich stört nichts.»
Empfindest du die Tagesordnung als hilfreich?
«Ja, ich habe das Gefühl, dass ich davon profitiere, mir bringt es enorm viel. Für mich bedeutet die Tagesstruktur Freiheit. Ich erlebe auch die strikten Kontrollen als positiv, sie geben mir Halt. Ich hatte grosse Probleme mit Alkohol und anderen Substanzen. Ich bin in einem Alter, wo ich das alles hinter mir lassen und mein Leben in den Griff bekommen will. Ich will abstinent leben – ich fühle einen riesigen Unterschied zum Leben vor dem Gefängnis, als ich abhängig war.»
Wie meinst du das?
«Ich hatte ein ziemliches Durcheinander und lebte auf der Strasse. Meine Familie hat mich nicht unterstützt, ich hatte keine Freunde. Die meiste Zeit habe ich am Flughafen verbracht. Ich bin sehr erleichtert, dass ich jetzt hier sein kann. Die Arbeit nehme ich als befreiend wahr, ich darf draussen an der frischen Luft arbeiten und bekomme Ende Woche dafür sogar etwas Sackgeld. Am Abend habe ich das gute Gefühl, etwas gemacht zu haben und ich kann mich frei bewegen. Alles hier ist sehr viel besser als dort, wo ich herkomme...»
Wie lange wirst du noch hierbleiben?
«Das wird nach dem gerichtlichen Verhör herauskommen. Sicher bleibe ich ein Jahr hier — danach eventuell noch etwas länger, das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.»
Denkst du, dass dir diese Erfahrung später in einem selbstbestimmten Alltag helfen wird?
«Ja, auf jeden Fall. Das ist mein Ziel und darauf arbeite ich hin.»
Was sagst du jemandem, der dem strikten Tagesablauf ablehnend gegenübersteht?
«Ich würde ihn oder sie fragen, ob es vorher besser war. Es gibt immer schlimmere Situationen als die, in der man steckt. Hier ist es alles andere als schlimm: Wir haben ein eigenes Zimmer, wir haben schöne Gemeinschaftsräume, gute Leute, tolle Unterstützung vom Team. Niemand muss Angst haben, dass ihm:ihr Gewalt in irgendeiner Form angetan wird.»
Wie ist die Unterstützung, die du vom Arche-Team erhältst?
«Sehr gut. Es wird viel besprochen, diskutiert. Ich habe viel Hilfe in administrativen Fragen bekommen, um wieder Ordnung in mein Leben zu bringen. Auch nach einem Rückfall unterstützt das Team der Arche Therapie Bülach, begegnet einem auf Augenhöhe und es wird gemeinsam ein Weg gesucht.»